In der Weinwelt sind erfreulicherweise immer mehr Frauen aktiv. Und zwar nicht nur als Erntehelferinnen und in der Flaschenabfüllung, sondern als Kellermeisterinnen, Inhaberinnen von Weingütern und Direktorinnen von Weinbauregionen. Doch der Weg dahin führte über steiniges Terroir und ist noch längst nicht zu Ende.
Eigentlich sollte es so sein, dass wir diesen Artikel gar nicht schreiben müssten, und dass es in der Weinbranche ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Geschlechtern gibt. Kennt Ihr die typische Restaurant-Situation? Ein Pärchen bestellt im Restaurant die Weinkarte, automatisch wird sie dem Mann ausgehändigt. Wenn der Wein dann serviert wird, bekommt der Mann in der Regel den gereiften Rotwein hingestellt, die Frau wird mit dem Weißwein, Rosé oder Süßwein bedacht. Klischees dominieren die Weinwelt und sie ist noch immer eine Männerdomäne, vom Winzer bis zum Sommelier.
Dabei war das durchaus mal anders. Es war vermutlich eine Frau, die als erste Winzerin in der Antike verbrieft wurde; nämlich Sidurni aus dem Gilgamesch-Epos. Sie war die Schutzgöttin der Gasthäuser und Kneipen. Auch im Alten Ägypten war es eine Göttin – Renenutet –, die für die Ernte und Landwirtschaft zuständig war. In der Antike sah man den Weinbau und die Landwirtschaft eng mit dem Entstehen von Leben und dessen Pflege verbunden, daher wurden diese Götter-Posten vermutlich an Frauen vergeben. Hebe, die Tochter des Zeus, war Mundschenk der Götter und somit die erste erwähnte Sommelière. Was ist seitdem passiert?
Das Mittelalter war für die Selbstbestimmung der Frau sicherlich eine der schwersten Epochen. Vor allem auf dem Land war die Rollenverteilung klar. Die Weinwirtschaft in Europa wird seither von bäuerlichen Traditionen und klassischer Erbfolge bestimmt. Wenn das Gut und die Ländereien an keinen Sohn vererbt werden konnten, ging der Besitz an den Schwiegersohn. Aber an die Tochter? Daran war lange nicht zu denken. Selbst Frauen als Winzerinnen waren bis vor wenigen Jahrzehnten ein Exotikum und wurden misstrauisch beäugt. Es gab vor 50 Jahren in Europa sogar noch die Annahme, die Gärung würde nicht in Gang kommen, wenn Frauen im Weinkeller ihre Regel hatten. Unglaublich, aber wahr.

1991 hat sich in Deutschland die Vereinigung Vinissima Frauen & Wein e.V. gegründet. Mit der Idee, die Solidarität untereinander und gegenseitige Förderung in den Fokus zu stellen. Durch zahlreiche Aktivitäten auf Bundes- oder regionaler Ebene zählt dieses starke Netzwerk aus Wein-Frauen verschiedener Berufe heute über 600 Mitglieder. Und es zeigt Früchte. Seit der letzten Jahrtausendwende hat sich einiges getan. Frauen sind in der Branche zwar immer noch in der Minderheit, aber keine Seltenheit mehr. An der Weinbau-Universität in Geisenheim studierten vor 30 Jahren circa 10 Prozent Frauen, heute sind es über 30 Prozent, in den Fächern Marketing und internationale Weinwirtschaft sind Frauen sogar in der Mehrheit. Doch selbst im Macho-Land Spanien werden die Frauen in der Weinbranche immer stärker, als Winzerinnen, Erbinnen, Kellermeisterinnen oder Frauen wie Marisol Bueno, erste Präsidentin einer geschützten Herkunftsbezeichnung in Spanien, der D.O. Rías Baixas. Oder Carmen San Martín, Präsidentin der D.O. Rueda. Beatriz Izquierdo Rodríguez, Kellermeisterin des Weinguts Osoti in der Rioja, meint dazu, die steigende Zahl an Absolventinnen und einigen Posten in Schlüsselpositionen dürfe über die Realität jedoch nicht hinweg täuschen. Nur wenige schaffen es zur Kellermeisterin, da der männliche Gegenwind oft sehr stark sei.
Auch in Sachen Erbfolge tut sich etwas. Wenn die Tochter die Nachfolge antreten möchte – warum nicht? Beim renommierten Weingut Meyer-Näkel von der Ahr sind es sogar gleich zwei. Die beiden Schwestern Meike und Dörte Näkel leiten heute das Weingut und führen seinen internationalen Erfolg mit Spätburgundern seit einigen Jahren souverän fort. Seit 2019 ist Meike Näkel sogar in den VDP-Bundesvorstand gewählt worden, als erste Frau der Geschichte.

Doch hinter all diesen kleinen Veränderungen steht einiges mehr. Was für manche Frauen einen persönlichen großen Schritt bedeutet, steht insgesamt für eine neue Generation von Winzer:innen und letztendlich auch vom Wein. Die jüngere Generation, die seit den letzten circa zehn Jahren ihre Ausbildung abschließt, macht so manches anders. Reisen rund um den Globus und Mitarbeit auf Weingütern in Übersee oder bei den europäischen Nachbarn sind selbstverständlich, bevor eigene Projekte gegründet oder das elterliche Weingut übernommen werden. Ökologie und Nachhaltigkeit gehören selbstverständlich dazu. Die eigene Identität und unkonventionelle Methoden stehen der Tradition nicht mehr im Weg, sondern verbinden sich. Frauen haben in allen Bereichen immer mehr das sagen und ihnen wird auch zugehört.
Und die Wissenschaft? Laut Studien haben Frauen tatsächlich einen besseren Geschmacks- und Geruchssinn, was erklären könnte, warum mehr Frauen als Männer Wettbewerbe und Verkostungen gewinnen. Aber schmeckt man auch den Unterschied zwischen Weinen, die von Frauen beziehungsweise Männern gemacht wurden? Wohl eher nicht. Aber man schmeckt definitiv, ob ein Wein mit Sorgfalt und aus hochwertigen Trauben hergestellt wurde. Ob der Anspruch dahinter steht, dass er die Geschichte seiner Herkunft erzählt, seinen eigenen Charakter zeigt und in Erinnerung bleibt – ob er lebendig ist. Oder ob er aus einer profitorientierten Massenproduktion stammt. Frauen haben an diesem Wandel hin zum nachhaltigen Weinbau und zur Pflege der Identität eines Weins auf jeden Fall einen großen Anteil.
Unsere Empfehlung:

Meyer-Näkel & Klumpp Hand in Hand Grauburgunder 2021
Dieser saftige und frische Grauburgunder verströmt sommerliche Aromen von Mirabellen, exotischer Maracuja und süßer Honigmelone. Die einladende Frucht wird umspielt von Vanille, würzigen Anklängen und spritzigen Zitrusnoten. Dazu gesellen sich Akzente von frischem Gras, Heublumen und Birnenkompott. Am Gaumen ist der Wein sehr lebendig und anschmiegsam mit cremigem Schmelz, eleganter Mineralität und zarter Burgunder-Würze.